Sattel ist nicht gleich Sattel

Sattel ist nicht gleich Sattel

Salome legte die Ohren zurück, als Trixi mit dem Sattel ankam. „Alte Zicke!“, murmelt Trixi. „Ich kann nichts dafür, wenn Du so kitzelig unter dem Bauch bist!“ So ging es seit Monaten, Tag ein Tag aus. Seit die Stute nach ihrer Kolik-OP vor 3 Monaten wieder geritten werden durfte, war sie unerträglich beim täglichen Aufsatteln. Salome zwickte, keilte und quietschte. Auch das Reiten funktionierte nicht so reibungslos wie früher.

So oder so ähnlich geht es hundert anderen Reiter/Pferdepaaren jeden Tag. Überall auf der Welt.

Oft wird vergessen, dass Muskeln nur dann ihre Fülle und Form behalten, wenn sie regelmäßig bewegt, gedehnt und trainiert werden. Kann das Training, wodurch auch immer, nicht mehr durchgeführt werden, baut sich die Muskelmasse ab, der Muskel atrophiert.

Hatte man vorher einen Sattel, der perfekt auf den Pferderücken passte, so ist das nicht mehr der Fall. Die Kammer kann nun zu weit sein, da der Widerrist nicht mehr mit Muskel ummantelt ist, sie sinkt mit dem Gewicht des Reiters zu weit ab, drückt vielleicht sogar auf die empfindliche Wirbelsäule. Genau so verhält es sich mit dem langen Rückenmuskel rechts und links neben der Wirbelsäule, auf dem die Sattelpolster aufliegen.

Ist die Muskulatur dort bereits zurückgegangen, tritt die Wirbelsäule etwas hervor und der ursprüngliche Sattel kann im Wirbelkanal aufliegen, anstatt eine gute Seitneigung zuzulassen. Die Pferde können sich nicht mehr um den Schenkel biegen oder nur mit Druckschmerzen durch den inzwischen unpassenden Sattel. Es folgt unweigerlich eine massive Verspannung, das Pferd gibt seinen Rücken nicht mehr her und vermeidet das Vorwärts-Abwärts-Dehnen und die damit verbundene Aufwölbung der Oberlinie.

Pferde zeigen im Allgemeinen bereits früh an, wenn ihnen etwas nicht passt. Sie beginnen bereits beim Satteln mit Abwehrspannung, Ohren anlegen, Knirschen, Beißen. Der Sattelgurt scheint zu kurz, da sie sich aufpusten und erst in der Bewegung Luft ablassen. Ich habe in Spanien ein Pferd erlebt, das nur im Laufen gesattelt werden konnte und sich beim späteren Nachgurten, wenn es stehen sollte, auf den Boden warf, mit oder ohne Reiter. Was das für Verletzungen nicht nur für das Pferd mit sich zog, brauche ich wohl nicht zu erläutern.

Plötzlich sind Stuten olle Ziegen, Hengste durchgeknallt und Wallache spinnen. Dann wird der Tierarzt geholt, der Heilpraktiker zurate gezogen, der Spezialist akupunktiert und Osteopathen sollen alles richten.

In der Pferdephysiotherapie habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, Sättel und die dazugehörigen Pferde in dreierlei Weisen zu beurteilen:

  • Der Sattel ohne Reiter und Unterlage auf dem Pferd
  • mit Reiter auf dem Pferd
  • und den Sattel komplett ohne Pferd.

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Zuerst beobachte ich die Reaktionen des Pferdes beim Satteln. Wie sattelt der Besitzer/Reiter? Danach kann man die Lage des Sattels an der Schulter begutachten. Sitzt er zu weit vorn, behindert das Sattelblatt das Vorführen des Vorderbeins, denn das Schulterblatt bewegt sich dabei nach hinten und der obere Rand reibt stets an der vorderen Sattelkante. Wichtig für die Schulterfreiheit und demzufolge auch für raumgreifende Gänge sind das nach hinten geschnittene Sattelblatt und das Kopfeisen, welches hinter der Schulter sitzen sollte. Liegt der Sattel zu weit hinten, wird der Trageapparat gestört. Sätteln mit tiefem Sitz bin ich immer etwas skeptisch gegenüber. Nicht selten ist der tiefste Punkt des Sattels nicht übereinstimmend mit dem tiefsten Punkt des Pferderückens und da gehört dieser Punkt hin – auf den Bereich des 14. Brustwirbels. Das Pferd wird besonders mit Reiter unter Verspannungen leiden.

Die Fingerregel sollte bereits vom Sattelanpasser oder Sattler befolgt worden sein, also mindestens 4 Finger hoch in der Kammer, noch wenigstens 2, wenn der Reiter Platz genommen hat, zur Seite für die Bewegungsfreiheit des Widerristes je Seite 1 Finger und im Wirbelkanal 4 Finger breit.

Bei Arabern sollten es lieber 5 sein, da die breiteren Wirbel haben und stärkere Bänder, die die Muskeln an die Knochen binden. Wird diese Regeln nicht befolgt und individuell auf das Pferd abgestimmt, so entstehen die hässlichen weißen Flecke auf dem Rücken und am Widerrist, dort verlieren die Haarwurzeln durch den falschen Druck die Fähigkeit Farbe ins Haar einzulagern.

Am Schweißabdruck nach dem Reiten erkennt man, ob der Sattel eine Brücke macht, also nur an 2 Flächen aufliegt. Ob er wackelt oder dreht, zeigt das aufgeriebene Fell…oder ein Video mit und ohne Reiter. Zeigt mir der Sattel seine Unterseite, kann ich anhand des Abstreichens fühlen, ob sich Beulen und Dellen, also Unregelmäßigkeiten im Polster befinden, ob es beidseits federnd und elastisch ist. Alle Nähte sollten vom Pferd weg zeigen und das Material ist sorgfältig verarbeitet und von guter Qualität.

Derzeit liegen auch Sättel im Trend, deren Sattelblätter im vorderen Kniepauschenbereich nach außen hin gepolstert sind.

Gut durchdacht, wie ich finde, denn

  1. wird der darunter liegende Muskel nicht in seiner Funktion eingeschränkt und
  2. findet das Knie eine bessere Ruheposition, klappernde Knie werden vermieden.

Weiterhin schaue ich mir das Kopfeisen an. ES MUSS NICHT SYMMETRISCH SEIN! – da fast 70 % der Pferde eine Schulter stärker ausgebildet haben. Wäre das Kopfeisen symmetrisch, würde es drücken, – es muss also zum Pferd passen.

Für die Begurtung empfehle ich einen breiten, anatomisch geformten, ein- oder beidseits elastischen Gurt. Dieser lässt die Pferde auch noch tief durchatmen und nimmt ihnen durch das Mitbewegen den Zwang der Enge.

Letztendlich muss der Sattel nicht nur anatomisch zum Pferd passen, seinen speziellen Verwendungszweck erfüllen, auch SIE müssen darin korrekt, frei von Ermüdung und sicher sitzen.

Es klingt alles nach böhmischen Dörfern, dabei ist es auch für die Nicht-Fachmänner und -frauen möglich, einen passenden von einem unpassenden Sattel zu unterscheiden. Fragen Sie einen Sattler Ihres Vertrauens nach einem Sattel-Check bei Ihnen im Stall. Er wird Sie gern auf dem Pferd aufnehmen, eine Videoanalyse des Sattels mit Ihnen vornehmen und all Ihre Fragen zu der Passform zum Pferderücken verständlich und ausführlich beantworten. Die Kosten dafür liegen pro Pferd um die 15–30 €, die Anfahrt wird auf alle Beteiligten umgeschlagen.

Von Sattlern und Physiotherapeuten werden des Öfteren auch Halbtageskurse „Der passende Sattel“ angeboten. Oft hilft auch ein gezieltes Aufpolstern, was in der Regel alle 12-18 Monate seine Regelmäßigkeit finden sollte.

Werden Sie sensibel für die Bedürfnisse Ihres Pferdes!

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